Schritt für Schritt ins Glück
„Es gab eine Zeit in meinem Leben, in der habe ich nur noch funktioniert.“
2019, Corona. Was für viele Menschen, viele Familien damals zur Zerreißprobe wurde, zerrte auch ordentlich an Lucia Gefkens Kraftreserven. Zwischen Homeschooling, Homeoffice und Homecoming aller möglichen Sorgen, Ungewissheiten und anderer Stressfaktoren verlor die zweifache Mutter irgendwann – den Zugang zu sich selbst. „Ich wusste, ich muss jetzt raus, ich muss auch mal was für mich tun“, erzählt sie und blickt nach links, auf ihren mintgrünen Wanderrucksack. „So fing das an, mit dem Wandern.“
„Die Nordpfade, direkt vor der Haustür – da hatte ich keine Ausrede!“
Wer kennt es nicht: Die Idee ist da, der gute Vorsatz – doch im wirbeligen Alltag muss erstmal ein guter Weg gefunden werden, um für diese neue Idee losgehen zu können. Die Nordpfade im Landkreis Rotenburg (Wümme) kamen Lucia da sehr gelegen. „Es muss ja nicht gleich der Jakobsweg sein. Da war und ist mir sowieso zu viel los“, findet die 39-Jährige aus Taaken. Gesagt, gewandert: Lucia machte sich auf die Wege.
Erkundete alle 24 vom Touristikverband Rotenburg gekennzeichneten Nordpfade, und zwar mehrmals. „Eine Empfehlung: Man kann die Wege ruhig mal andersherum laufen und man kann sie zu den verschiedenen Jahreszeiten bewandern. Ist immer anders.“
„Auf dem ‚Kuhbach-Oste‘ machte es endlich Klick bei mir.“
Klar, die Nordwanderin hat inzwischen ihre Lieblings-Nordpfade. Der Nordpfad Wümmeniederung zum Beispiel oder Rotenburger Wasserreich. Zu einem der Pfade hat sie aber eine ganz besondere Beziehung. „An einem Tag, an dem ich echt gar keinen Bock hatte aufs Wandern, bin ich dann doch los und war auf dem Nordpfad Kuhbach-Oste unterwegs.“ Schlechtes Wetter, schlechte Stimmung – und plötzlich, schwups, rutschte Lucia aus und die Ostesteilkante herunter. Sie rodelte ein ganzes Stück, stoppte – und „da hat es bei mir irgendwie endlich Klick gemacht. Ich habe endlich mal dagesessen und durchgeatmet.“ Heute ist Lucia für diesen Rundweg Nordpfad-Patin.
„Meine Nordpfade“: Jeder Pfad ist ein Kapitel für sich.
Wandern, das hat „etwas Entspannendes und gleichzeitig ist man die ganze Zeit in Bewegung“. Für Lucia genau die richtige Mischung. Um Ausgleich zu schaffen. Um mit gedanklich ‚schwerem Gepäck‘ zu starten und ohne wieder in den fordernden Alltag zurückzukehren. Eine zweite Leidenschaft begleitete Lucia auf all ihren Nordpfaden: „Ich schreibe gerne.“ Beruflich (früher als Technische, heute als Lokal-Redakteurin), aber auch privat und kreativ. „Da lag es für mich schnell auf der Hand, meine Nordpfad-Abenteuer in einem Buch festzuhalten.“ Kein Standard-Ratgeber, kein Sachbuch – sondern ganz viel Ehrlichkeit, mitwandernde Selbstironie und persönliche Einblicke.
„Plötzlich war das Fernsehen da und andere nannten mich Wander-Profi.“
Lucia Gefkens Buch „Meine Nordpfade“ nimmt Lesende seit Juli 2024 mit, auf die wunderschönen Rundwanderwege und in ihre Gedanken- und Gefühlswelt. Neben vielen Lesungen in der Region und außerhalb von Rotenburg, „die mir gut liegen und Spaß machen“ – gab es auch schon Begegnungen mit interessierten Fernsehteams. „Das war dann nochmal eine andere Nummer“, sagt Lucia und zieht die Augenbrauen hoch. „Und plötzlich nennen dich manche Leute Wander-Profi. Auch sehr ungewohnt.“ Der Titel ‚Nordwanderin‘ ist ihr nach wie vor lieber. „Passt einfach besser zu mir!“
„Allein zu wandern ist etwas anderes als zu zweit oder mit Gruppe.“
Auch nach Abschluss ihres Buchprojektes wandert Lucia weiter durch den Norden. Einmal die Woche mindestens. Und das im Übrigen am liebsten allein. „Bisschen creepy, oder?“, lacht sie über sich selbst, sagt dann aber ernster: „Ich erklär’s mal so: Die Nordpfade gelten ja eigentlich als unverlaufbar, dank der guten Ausschilderung. Stimmt im Grunde auch. Ich konnte trotzdem das Gegenteil beweisen – weil wir im Gespräch vertieft waren.“ Ohne Begleitung unterwegs zu sein, das sei anders…
Allein zu wandern, weist Lucia den Weg. Gibt ihr Raum zum Denken, Fühlen, Sein. „In dieser Ruhe habe ich für mich gelernt – und lerne ich immer noch – öfter nein zu sagen. Grenzen zu ziehen, ‚egoistischer‘ sein zu dürfen, auch wenn mein schlechtes Gewissen als Mutter dann doch schnell anspringt, wenn ich mal Zeit für mich beanspruche.“
Es geht nicht immer alles rund.
Aber nach einer Rundwanderung kann sie besser damit umgehen.
Was Lucia Gefken gerade noch bewegt:
Ihr zweites Buch: „Es schließt vom Stil her an mein erstes Buch an und erscheint bald.“ Dieses Mal wanderte Lucia an der Wümme entlang und plante alle Strecken selbst.
Das nächste Abenteuer. Ob 3-Tage-Wanderung oder Übernachten in der Hängematte – die Nordwanderin bleibt offen für Erlebnisse in der Natur und ihrem Namen treu.
„Wo ist Dagmar?“ Bei einer ihrer ersten Nordpfad-Wanderungen (Federlohmühlen) verschätzte sich Lucia mit der Zeit. „Es wurde schon dunkel und ich hatte nur eine Mini-Taschenlampe dabei. Doch dann – traf ich Dagmar, die mich mit ihrer Stirnlampe und ihrem Orientierungssinn aus dem Schlamassel führte.“ Seither habe sie ihre Retterin leider nie wieder angetroffen, sagt Lucia – und lässt dich schön grüßen, liebe „Dagmar mit Stirnlampe“, falls du das hier liest! :-)